Tag 66
Sterbe und werde!
Die ungelösten Probleme auf der Seite der Seele manifestieren sich im Körper in Form von Krebs. Ich werde ultimativ aufgefordert, mich den Dingen zu stellen. Mein Ego hat Todesangst vor Veränderung. Ich darf nicht, ich kann nicht, es ist nicht richtig, es ist Ungehorsam, es ist ungerecht, es ist entwürdigend, nein, nein, nein schreit es in mir. Wenn ich die Dinge tue oder sage, werde ich sterben, sagt das Ego. Objektiv sind es unangemessene, unpraktische Strategien. Ob die Ursachen bekannt und/oder begründbar sind, spielt überhaupt keine Rolle. Ob aus Vaters Familiengeschichte, von Vater selbst, aus Mutters Familiengeschichte, aus Mutter selbst, ob von Jutta oder Silke, ob als vierjähriger, als 14-jähriger ist völlig nebensächlich. Es sind meine Strategien, Ängste und Glaubensbekenntnisse und ich muss sie als solche annehmen und akzeptieren. Alles andere, auch der Verweis auf die Umstände, die scheinbar durch meine Frau herbeigeführt werden, dient nur der Ablenkung von der Tatsache, dass es meins ist. Ich habe diese Strategien gewählt, entwickelt und ich trage die Verantwortung. Das Ego verschließt sich immer noch vor dieser Verantwortung. Ab und zu, in einem quasi unbewachten Moment, wenn das Ego müde oder unaufmerksam ist, habe ich Zugang zu mir selbst, meinen Gefühlen und meiner Kraft, zu meinen natürlichen Quellen. Sobald das Ego dies bemerkt, wird das Gitter wieder hochgefahren und ich bin allein, getrennt und hilf- und kraftlos. Ich muss sterben, um zu leben. Ich muss durch meine größten Ängste gehen, ich muss mich ergeben, fallen lassen und vertrauen. Kontrolle aufgeben, den Kampf beenden, die Waffen strecken, dass Schutzschild ablegen. Ich muss der sein, den meine Seele vorgibt zu sein, ich muss die Erfahrungen machen. Dabei wird das Ego sterben und wiedergeboren werden. Entweder in diesem Leben oder im nächsten. Oh Herr, ich habe Todesangst. Es geht um Vertrauen. Du bist bei mir in meiner dunkelsten Stunde. Dieses Ego muss sterben um neu erschaffen zu werden. Das ist die Aufgabe.
Die obigen Zeilen habe ich am 26. November 2015 mit der Hand geschrieben, eingescannt und vergessen. Während des Readings sprach Mario davon, dass die Sufi-Meister sagen „du musst sterben, um zu leben“. Das hat mich daran erinnert, dass ich zu diesem Thema mal was geschrieben hatte und so habe ich es auf meinem Rechner gesucht. Es hat schon was für sich, wenn man seit knapp 30 Jahren das gleiche Ablagesystem verwendet. Hat keine 5 Minuten gedauert. Ich bin ein ordentlicher Junge. Tja, ich darf für mich selber konstatieren, dass ich in den etwas mehr als drei Jahren, seitdem ich unter Tränen und in großer Hoffnungslosigkeit die obigen Zeilen verfasst habe, einen weiten Weg gegangen bin. Ich bin stolz auf mich. Ich habe mich gegeben und hoffe inständig, nichts zurückgehalten zu haben. Falls ich doch etwas zurückgehalten habe, bekomme ich es noch serviert. In diesem oder im nächsten Leben, das steht mal fest. Dann doch besser jetzt, ich bin gerade so schön im Schwung. Wie früher mit einem alten Mercedes 200D. Wenn du da mal auf 120 km/h warst mit den 55 PS, galt es die Geschwindigkeit unter allen Umständen zu halten. Also links raus, die LKW überholen und die Lichthupe vom BMW hinter dir für die nächsten 10 Kilometer ignorieren… 🙂 Eigentlich ein schönes Bild, wenn man für den BMW das Ego, Ängste, innere Zwänge und alte Glaubenssätze einsetzt. Die machen auch ständig Lichthupe… 😉
Morgen geht es nach Hause und ich freue mich unbändig auf die Menschen (ja, fühl dich angesprochen!) und mein Leben. Gleichzeitig geht mir die Düse eins zu einer Million. Jetzt gilt es, jetzt kommen die Momente der Wahrheit. In der totalen Stille des Klosters, mit einem Chai an meinem Lieblingsplatz oder hier im Paradies ist es einfach, bei sich zu sein. Einfach nur zur Seite treten und den Erkenntnissen freie Bahn lassen. Jetzt geht es um Vertrauen und darum, den Kontakt zu mir selbst zu halten. Das deutsche Leben zu leben und weiterhin die Stimme meines Herzens zu hören.
An meinem letzten ganzen Tag hier auf Bali bin ich um 5:00 Uhr aufgestanden, um mit einem Fischer im Dunkeln hinauszufahren aufs Meer. Vielleicht zeigen sich Delphine. Die Mädels, die gestern raus gefahren sind, haben eine riesige Herde aus unmittelbarer Nähe beobachten können und kamen völlig beseelt zurück. Heute waren die Delphine anderweitig beschäftigt. Macht nichts, so wurde ich wenigstens nicht abgelenkt. Ich habe das Meer gefühlt, die Luft und dem Tag beim Werden zugesehen. Das wichtigste Wort für mich, um Bali zu beschreiben ist „sanft“. Hier ist alles sanft. Bei uns ist vieles rau, ruppig, eckig, scharfkantig und unsere sanften, weichen und gemütlichen Bereiche müssen wir uns bewusst schaffen. Heute Morgen auf dem Meer dachte ich, dass ich hier vom Leben und von den Elementen ununterbrochen sanft gestreichelt worden bin. Ich habe meine Füße ins Wasser gehalten, es war warm, weich, weich, weich und hat meine Füße gestreichelt. Ich habe noch nie solches Wasser gefühlt. Das gleiche Gefühl mit der Luft, die mir über das Gesicht und die unbedeckte Haut gestreichelt hat.
Es regnet, es blitzt und der Donner grollt. Ich sitze auf der Veranda und stelle fest, dass ich den Übergang zwischen meiner Haut und der Umgebungsluft nicht spüre. Die perfekte Umgebung um zu sein. Ich sauge diesen Moment in mich auf, ich möchte meine Speicher mit diesem Gefühl füllen. Mein Gott, kann Leben schön sein.