Seebestattung

Götz hat die Start-Position für seine 3. und letzte Reise erreicht...

54° 12′ N 12° 6′ E….

‚Cause I’m right here, right here, right here, right here at home….

Als Kapitän Brandt auf dem Achterdeck der MS Undine steht, schweift mein Blick kurz über mein linkes Handgelenk. 09.31Uhr MEZ…und ich denke so, wow, was für ein Zeitpunkt, quasi auf die Minute genau 20 Jahre nach dem  der ersten Turm getroffen wurde …so ein Timing muss man erstmal nachmachen. Und bei sowas muss man auch erstmal dabei sein, was diese Begebenheit schon allein unvergesslich macht. Wie unvergessen auch, hier zu der „Ich-Geh-Nur-Voraus-Reise“  sein Abschiedsgeleit zu sein, die Ehre wir haben;-)…unvergesslich….

Kapitän Brandt hebt Götz mitsamt seines kompletten Reise-Equipments behutsam auf die Reling und bereitet sich in voller Andacht auf den Augenblick vor, Götz auf seine Start-Position in der Ostsee herunterzulassen, während wir wunschgemäß Steve Miller mit einer Band „The Joker“ singend lauschen… Dieser Song war Götz Wahl und ich weiß noch, das ich lachen musste, als er mir im März bei meinen Besuchen im Hospiz davon erzähle, so wie er mich über alle Pläne seiner Bestattung auf dem Laufenden hielt. Steve Miller Band mit „The Joker“ von 1973 (Video und Text hier), ausgerechnet. Nicht, dass ich den Song nicht genial fände, mein Lachen bezog sich vielmehr auf eine meiner LP´s, die mit einem Label der Steve Miller Band US-Live Tour versehen ist, auf dessen Vinyl allerdings ein Album der Yardbirds gepresst ist. Eine von den seltenen Scheiben, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, hahahaha… Damals hab ich noch gelacht, aber als Kapitän Brandt zum letzten Gang von der Andachtshalle zu Deck achtern diesen Song erklingen lässt, habe ich mit einem Mal einen fetten Klos im Hals…ich denke spontan an Einmarschmusik, wie es so bei Boxern ist, nur das dort die Musik  „jetzt´s geht´s los“ bedeutet und ich hier gerade „some people call me the space cowboy“ höre und mich traurig und bedrückt in die Reihe der Gefährten einordne, denn jetzt geht´s zum allerletzten Mal los…endgültig…

Wir alle haben uns achtern um Kapitän Brandt versammelt, als er beginnt, unseren Götz in das Kalt der See zu hinab zu senken. Wie ich von Götz wusste, hatte er vor, eine Urne von blau-silberner Farbe zu wählen und in meiner Vorstellung hatte ich mir die Seebestattung derart vorgestellt, dass einer der Reiseantrittsgäste die Urne einem Footballspieler gleich, mit kräftigem Wurf hinaus auf die See befördert. Entgegen dessen war ich verwundert, eine Urne passender Erscheinung nicht erspähen zu können, noch entsprach der Ablauf der Zeremonie im Entferntesten meiner Fantasie. Tatsächlich wird Götz´ Urne in eine Art weißer Umverpackung gebetet, eines Kokons grobfaserigen Spezialpapiers, welcher gebunden mittels zweier Striche in einem Schiffchen gleichen Materials Platz hält. Wie handgemacht und von edler Ausstrahlung vermittelt Götz  Reise Equipment eine gediegene und einzigartige Präsenz. Gediegen und einzigartig, wenn auch weniger Präsent, da eingepackt und nicht sichtbar, ist auch Götz` Urne. Von Mona Garloff (Spoida), bei der ich mich hier kurz für ihr hervorragendes Engagement bedanken möchte, darf ich erfahren, dass Götz finaler Pyjama aus einer speziellen Urne besteht. Käuflich nicht zu bekommen, aus Spoidas geheimen Hausbestand…in den Farben Blau mit silbernen Akzenten sowie einer die Urne umschließenden Weltkarte…einzigartig…

Als der Kapitän Götz´ Reise-Schiff auf der Wasseroberfläche aufsetzen lässt, hält er es mit einer Führungsleine auf Position, um den vorgegebenen Start-Punkt auf 54° 12′ N 12° 6′ E genau zu treffen… das Schiffchen schwebt auf dem Wasser, den Urnenkokon in der Mitte eingebettet in einen Floor aus roten Rosen. Nach knappen drei Minuten hat Steve aufgehört zu singen und durch die plötzliche Stille erhält der Augenblick eine andere Qualität. Gespannte Andacht begleitet den Augenblick, als der Bug des Schiffchens der Kraft See nachgibt und das Spezialpapier in Auflösung übergeht. Nach sechs Minuten ist die Endgültigkeit erreicht und Götz ist an dem Punkt angelangt, an den er hinwollte. Schiffchen, Urne, Kokon sind auf den Weg in die Tiefe, ins Unsichtbar entschwunden. Das Andenken eines Jeden folgt Götz` Asche, weiße Rosen gleiten dahin, Erinnerungssteine folgen ins Dunkel… Rote Rosen zeigen im kleinen Läufer den Absinkpunkt, verstreuen sich in den Wellen, bis sie nicht mehr auszumachen sind. An diesem Punkt und dem Zeremoniell folgend, werden die Maschinen der MS Undine wieder gestartet und Götz´ letzte irdische und zugleich 3.-Reise-Start Position wird in einem 360° Kreis umfahren und zum Schluss erklingt das Schiffshorn 3 x …würdevoll…
Von hier aus gehen Götz`sterbliche Überreste auf die Reise, seine Asche wird sich mit der Strömung verteilen. Vielleicht ist er ja demnächst weltweit unterwegs…

Es ist natürlich immer schwer,  zu solch traurigen  Anlässen etwas zu schreiben, vielleicht auch, weil positive Attribute wie „schön“ oder „toll“ als unangemessen empfunden werden, aber gerade deshalb finde ich es angemessen, dazu kurz Etwas zu schreiben…
Ich war ja durch meinen regelmäßigen Kontakt zu Götz vielleicht etwas näher an ihm dran und hab dadurch auch etwas intensiver an seinem Leben teil gehabt. So kann ich sagen, wie beeindruckt ich war, seine Bestattungspläne zu verfolgen. Und jetzt kann ich sagen, wie beeindruckt von der praktischen Durchführung bin. Sauber, Götz, alles wunschgemäß, alles richtig gemacht. Und der 11.09. ist ein Datum für die Ewigkeit! Unfassbar! Du bist zwar nicht mehr da und das ist und wird für immer schade bleiben, aber wie Du es gemacht hast und was daraus geworden ist, ist einfach ohne Worte! Du wärst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr glücklich darüber gewesen, dass Dein Plan so gut funktioniert hat.

Auch, was das Ganze drum herum betrifft, die Planung, die Fahrten, die Unterbringung, die schöne Zeit und nicht zuletzt das Treffen mit den Anderen… Unterm Strich war es eine tolle Begebenheit und eine schöne Zeit. Und Götz hat einen sensationellen Abgang/Antritt hingelegt…

Alles Liebe und Gute Götz, ich denk an Dich.

Toni