Tag 10
Geschlafen wie ein Baby. Um 6 Uhr zur Messe gegangen. 2 Mönche, der Abt, ein „Zivilangestellter“ des Klosters und ich. Ich verstehe wie immer kein Wort, aber fühle mit. Mittendrin wandern meine Gedanken zu einem uralten Mönch aus Neamt. Er hat knochige Hände mit hervortretenden Knöcheln, ein eingefallenes Gesicht, das nur noch aus Falten besteht, der Bart ist dünn geworden, der kleine, dünne Körper gebeugt und er bewegt sich langsam mit Hilfe eines Stocks. Das Ende ist nah. Wenn er stirbt, wie wird so ein Leben bewertet?
Er hat nichts erreicht, keine Reichtümer erwirtschaftet, keine Berühmtheit erlangt, keine Familie mit Kindern und Enkeln gegründet, wahrscheinlich hat er noch nicht einmal ein Auto besessen, keinen Blog geschrieben, keine Follower, keine Likes. Nichts. Er wird von seinen Brüdern beerdigt werden, in der Messe wird sein Name genannt werden und das war‘s. Noch nicht einmal ein Nachruf in der lokalen Presse. War das ein sinnvolles Leben? Hat er was aus seinem Leben gemacht? Das kann nur er entscheiden und die Entscheidung ist ein Gefühl. Ein Gefühl im Herzen. Wenn er tief innen im Herzen fühlt, dass es gut war, dann war es gut.
Während draußen vor den Fenstern der Tag heranbricht, dringt diese Erkenntnis in mein Herz und ich stehe weinend da. Schon wieder Tränen. Erkenntnis löst tiefe Emotionen und Glücksgefühle aus, dass kann ich Euch am 10. Tag schon mal mit Gewissheit sagen. Ich bin ein Getriebener, suche mein Glück im Außen, suche Anerkennung, Bestätigung, Wertschätzung und Applaus. Ich liebe mein Leben, ich würde alles wieder genauso machen, jede schöne und schmerzvolle Erfahrung nochmal haben wollen, doch am Ende des Tages ist das Außen nur Schall und Rauch. Nur das Innen zählt. Meine ganze eigene Bewertung vor mir selbst. Mein Herz hat mich hierher gebracht, in die Stille, damit ich es höre. Danke. Hier werden rationale Erkenntnisse durch emotionale Erfahrungen abgelöst.
Nach 55 Minuten ist die Messe zu Ende. Die sind fix hier. Der Abt spricht nur Rumänisch mit ganz wenigen Brocken Englisch, ich spreche gebrochen Englisch und gar kein Rumänisch, aber die Frage, ob ich einen Kaffee haben möchte, verstehe ich sofort. Er nimmt mich mit in die Küche. Auf dem Holzherd (hallo Anke!) mit angeschlossenem Kachelofen für den Speisesaal wird gekocht. Mir wird ein türkischer Kaffee gemacht. Pott mit Wasser, Kaffeepulver und Zucker auf den Herd, aufwallen lassen, umrühren, in die Tasse gießen, Tasse ansetzen, Schnauze verbrennen, ruhiger werden und warten. Die Küchenfrau würfelt Zwiebeln und der Küchenmann hilft dem Abt, der gerade Käse ansetzt. Ich sitze auf einem Stuhl neben einem Holztisch in der warmen Küche mit dem leise bollernden Holzfeuer und meinem Kaffee und schaue zu. Ich habe in vielen 5-Sterne Hotels gesessen mit den wunderbaren Frühstückbuffets. Hier in der Küche ist es besser, weil es mein Herz berührt. Für diese Erkenntnis braucht es die Erfahrung der Hotels. Insofern ist alles folgerichtig.
Die Dinge hier sind auf Praxistauglichkeit hin ausgelegt.
In der Kirche habe ich mich auch umgesehen.
es macht Spaß, von dir zu lesen und Freude, dich auf diesem Wegen der Erkenntnisse begleiten zu dürfen. Liebe Grüße
Anke
Danke. Die Begleitung tut gut.
Ich kann jetzt schon kaum Tag 11 abwarten.
Jetzt mal keinen Druck machen… 😉
Ergreifender Text mal wieder …. so tief… Danke
Ich werde immer länger und das sind nur Extrakte. Ich könnte hier die Hälfte des Tages erleben und die andere Hälfte schreiben. Passiert auch so viel lustiges. Habe heute gegen eine große Schneekugel getreten aus Übermut. War gar keine Schneekugel, was eine Kugel aus Eis mit dünner Schneedecke als Tarnung. Und die Sau war auch noch festgefroren. Habe Tränen gelacht über die eigene Blödheit…:-)