Tag 14

Tag 14

Heute gab es Bratkartoffeln. BRATKARTOFFELN! Mit frischen Champignons. Ich hätte mich reinsetzen können, so lecker war das. Habe mit Bruder Tuck um die Wette gegessen, aber wie immer verloren, doch das ist eine andere Geschichte. Diejenigen, die mich sehr gut kennen wissen, dass ich eher kein Kartoffel-Fan bin und mir Bratkartoffeln sonst eher am A… vorbeigehen. Ich esse sie, doch wenn es was anderes gibt, dass gerne was anderes. Heute war es ein Festmahl. Das hängt mit dem Klosterleben zusammen, das ich Euch mal etwas näher bringen möchte.

Seit 14 Tagen bin ich jetzt unter Mönchen und es gab bisher jeden Tag Suppe. Bei zwei Mahlzeiten am Tag, also 28-mal Suppe. Und Weißbrot. Es gab auch schon mal Fisch dazu, frisch, mit Gräten, insgesamt ziemlich vollständige Tiere, weit ab vom Filet und es gab auch mal fleischlos gefüllte Paprika und als Nachtisch ein kleines Stück Blechkuchen, aber immer Suppe. Und Weißbrot. Die Basissuppe in allen drei Klöstern ist eine Weiße-Bohnensuppe mit wenigen, kleinen Nudeln und etwas Reis (habe ich im Beitrag Essen schon beschrieben). Und dazu Weißbrot…

Falls Ihr jetzt das Gefühl habt, die Nummer mit dem Weißbrot fängt an zwanghaft zu werden: könnte sein, dass Ihr auf der richtigen Spur seid. Sogar zu den Bratkartoffeln wurde Weißbrot serviert und gegessen. Wenn das Zeug wirklich so ungesund ist, wie in Deutschland alle sagen, sind in Rumänien bald viele leerstehende Klöster mangels Bewohner günstig zu erwerben.

Es hängt von der Wetterlage ab, ob mein Aufenthalt hier schon am Freitag oder ganz früh am Samstag endet. Es sind Schneefälle und Tiefstwerte von bis zu minus 15° Grad angekündigt und wir sind hier schon sehr abseits vom Schuss. Bei besten Wetterverhältnissen haben wir von Iasi hier her mehr als 2 Stunden gebraucht. Mein Flieger nach Bukarest geht um 11:50 Uhr am Samstag und wenn ich die soldatische Raum-/Zeitberechnung anstelle, komme ich zu dem Schluss, dass ich mal mit meiner Agentur darüber rede, ob ich nicht lieber am Freitag hier aufbreche und eine Nacht in Iasi im Hotel verbringe, um den Flug sicher zu erwischen. Wie dem auch sei, das Ende ist absehbar und ich habe beschlossen, Euch mal einen Einblick in das klösterliche Rahmenprogramm am Beispiel des heutigen Tages zu geben. Es ist ja nicht so, dass hier nichts geboten wird. Davon ab: alles was ich tue, ist freiwillig!

  • 05:30 Uhr Wecker klingelt, waschen, anziehen
  • 06:00 Uhr Messe, stehen, knien, bekreuzigen, zuhören, die Bilder anschauen, Bruder Tuck zusehen, der Begegnung mit Pater Konstantin gestern in Gedanken nachhängen und dem Morgen zuschauen, wie er hinter dem Fenster erwacht. Die Kirche wird nur von 4 ewigen Lichtern (kleinen Petroleumflammen hinter dunkelrotem Glas) und 4 Kerzen beleuchtet. Dazu noch die Leselampe über den Büchern. Das ist schon sehr malerisch und kuschelig.
  • 07:30 Uhr Messe beendet, Zimmer aufklaren, bisschen Sport mit dem Rucksack. Da ich keinen Schrank habe, ist der Rucksack noch zum Teil gefüllt. Prima für Kniebeugen. Meditiert, Healing Code gesprochen, auf den Stuhl gesetzt und den Gedanken hingegeben, während ich aus dem Fenster geschaut habe. Eingeratzt ohne vom Stuhl zu kippen! Großes Soldatenkino, gelernt ist gelernt.
  • 10:00 Uhr Erste Mahlzeit. Schiere Begeisterung kommt auf, siehe oben.
  • 11:00 Uhr Spaziergang. Wir haben Temperaturen knapp über Null und es hat den ganzen Tag leicht geregnet. Bin 90 Minuten durch den verharschten Schnee gelaufen, wo immer es ging. Ansonsten mich gaaaanz vorsichtig über die Eisflächen getastet. Dabei schon wieder den Zustand von No-Mind erreicht. Eckehard Tolle wäre stolz auf mich.
  • 12:30 Uhr Für 20 Minuten auf der Veranda gestanden und dem Regen zugehört, wie er auf das große Kupferdach der Kirche fällt. Dabei den Enten zugesehen, wie sie sich im Klosterhof tummeln und nach Fressbarem suchen. Samstag waren es noch 11 Enten, heute nur 10. Ich war schon froher Hoffnung auf Entenbraten, auch wenn Fastenzeit ist, als die 11. den Kopf wieder hob und hinter ihren Schwestern auftauchte. Ambivalente Gefühle dem Tier gegenüber.
  • 13:00 Uhr Aufs Bett gelegt, Mittagsschläfchen. Beim Aufwachen fiel mein Blick auf die Kommode neben meinem Bett. 120 cm breit x 90 cm hoch aber nur 40 cm tief für zusätzliche Bettwäsche. Drinnen riecht es nach Mottenkugeln. Den Geruch kenne ich von Oma, habe ich aber ewig nicht mehr gerochen. Die Kommode ist quer furniert. Normalerweise furniert man vertikal, nicht horizontal. Das ist mir aber erst nach 10 Minuten aufgefallen. Vorher habe ich nur da gelegen und die Maserung des Furniers betrachtet. Maserung gucken. Was für eine erfüllende Beschäftigung.
  • 14:15 Uhr Begonnen, den nächsten Abschiedsbrief in meine Kladde zu schreiben. Die Reihenfolge bestimmt mein Unbewusstes. Es schickt mir einen Traum mit Menschen aus meiner Vergangenheit und ich weiß „aha, Brief schreiben“. Läuft gut zwischen meinem Unbewussten und mir.
  • 15:00 Uhr Messe. Diese Messe ist die Grenze zwischen kalt und warm. Kurz vor der Messe wird der Brenner der Holzzentralheizung befeuert. Er steht direkt hinter der Wand der Kirche, wo ich meinen Platz habe. Ich höre ihn arbeiten und weiß, nach der Messe ist das Zimmer warm. Eine frohe Botschaft. Das Leben hier ist so real, so bodenständig und geerdet. Während ich so stehe und das Leben fühle, wandern meine Gedanken zum Dreieck Funkturm in Berlin. Da wo die AVUS auf die Stadtautobahn trifft. Ich war mal im Restaurant vom Funkturm und von da oben hat man einen tollen Blick auf das Autobahndreieck. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, fahren dort täglich 300.000 Autos lang. Was für ein unfassbares Gewusel. Mich hat es innerlich geschüttelt. Wenn das hier das richtige Leben ist, ist das dort die reine Absurdität.
  • 15:30 Uhr Messe beendet, Brief zu Ende schreiben
  • 16:00 Uhr Zweite und letzte Mahlzeit des Tages. Und weder Tanke noch Dönerladen weit und breit. Also ordentlich reinhauen, es gibt erst wieder in 18 Stunden etwas. Dafür aber kein Völlegefühl beim Schlafen gehen. Was es gibt??? Bohnensuppe. Aber es sind noch Bratkartoffelreste da.
  • 17:00 Uhr Messe, Ablauf wie oben, nur dass dieses Mal der Tag hinter dem Fenster zur Neige geht. Nach einer Stunde ist die Messe beendet und es ist stockfinster. So wird im Augenblick die helle Zeit des Tages von der Messe eingerahmt. Hat was.
  • 18:00 Uhr im Zimmer diesen Beitrag schreiben.
  • 19:00 Uhr Versuchen, mit wackeliger und langsamer Funkverbindung diesen Beitrag zu veröffentlichen
  • 19:30 Uhr Gedanken machen und dies und das tun.
  • 21:00 Uhr Körperpflege, zufrieden sein, ins Bett gehen, schlafen

Ich weiß ja auch, dass ich oben Personen erwähnt habe, ohne ins Detail zu gehen. Bevor ich diesen Ort verlasse, stelle ich Euch die wunderbaren Menschen hier noch vor. Versprochen.

Hinter dem rechten Fenster beginnt und endet der Tag. Morgens wird dort schwarz zu blau (danke Peter Fox) und abends dreht es sich zurück. Ich schaue auf einen Baum und an der Kirche vorbei auf den Friedhof. Im Halbdunkeln spiegeln sich die Kerzenlichter im Glas und im Hintergrund sind ganz schwach die Kreuze auf den Gräbern zu sehen. Wenn man den Blick auf unscharf stellt, leuchten die Kerzen zwischen den Kreuzen.

7 Gedanken zu „Tag 14

    • GoetzWache2018 Autor des Beitrags

      Rahmendienstplan heißt das Zauberwort. Wie bei der Bundeswehr. Da kommen Erinnerungen hoch.

  1. Jutta Wache

    Hi Götz,
    Klosterleben hört sich toll an! dieses letzte scheint ein Treffer zu sein. Freu mich auf mehr 🙂
    Du hast hoffentlich meine sms bekommen? Ich folge dir sozusagen auf Schritt und Tritt und kämpfe mich langsam durch dir Technik, gut das du noch einige Zeit unterwegs bist 😉
    Alles Liebe
    Jutta

    • GoetzWache2018 Autor des Beitrags

      Danke für Deine Worte, große Schwester. Die SMS ist auch angekommen hier im Schnee.

  2. Regine

    Lieber Götz,

    ich sitze in meinem warmen Wohnzimmer und lese deine Berichte. Und was benötige ich dabei als erstes ein Taschentuch. Mir laufen die Tränen und es tut gleichzeitig weh und gut. Keine Ahnung warum. Vielleicht müsste ich dafür auch erst ins Kloster. Ich bewundere dich für deinen Mut dich dir in dieser Form zu stellen. Du machst eine bemerkensreiche Reise im Inneren und Äußeren und lässt uns daran teilhaben. Vielen Dank dafür!
    Ich drücke dich ganz fest.

    Regine

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