Tag 17 abends
Wir hatten die Abendmesse. Es wurde mehr gesungen als üblich und viel gekniet, aber sonst ist mir nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Dann haben sich die Dinge für mich überschlagen. Ganz zum Schluss kam der alte Mönch mit einem Silbertablett aus dem Altarbereich und hat sich neben den Tisch mit den Heiligenbildern gestellt. Die Gemeinde hat sich in Reihe vor den Heiligenbildern positioniert und ich wurde freundlich aufgefordert, mich anzuschließen. Da die Gemeinde außer mir nur aus drei weiteren Personen bestand, ging es dann sehr schnell. Plötzlich stand ich vor den Heiligenbildern und wurde durch Handzeichen vom Mönch aufgefordert, mich zu bekreuzigen und das Bild von Mutter Maria und dem Christuskind zu küssen, was ich gemacht habe. Aufforderung zur gleichen Prozedur beim Bild des erwachsenen Jesus links daneben, ebenfalls gemacht. Währenddessen hat der Mönch beim Abt nachgefragt, ob ich (wenigstens) katholisch sein, was der Abt wahrheitsgemäß bejaht hat. Dann wurde ich aufgefordert, mir vom Tablett ein Stück mit Wein getränktes Brot zu nehmen und zu essen. Dabei hat der Mönch mit einem silbernen Ding etwas Wohlriechendes auf meine Stirn gestrichen. Fertig, dass war’s. Messe zu Ende, Kerzen ausblasen und raus aus der Kirche. Ich hatte die heilige Kommunion empfangen. Von hinten durch die kalte Küche. Gott hat mich überlistet.
Ich habe es noch bis in mein Zimmer geschafft und bin dort haltlos in Tränen ausgebrochen. Ich habe geheult und geschluchzt wie ein Kleinkind und konnte mich gar nicht wieder einkriegen. So viel Glück, Dankbarkeit und Verbundenheit. Mein Herz floss über davon. Nach einer Weile, als ich keine Geräusche der Anderen mehr hören konnte, habe ich mich in den Vorraum der Kirche geschlichen, wo das Holzkreuz mit Jesus hängt. Ich habe mich vor das Kreuz gekniet und mich bekreuzigt. Mich bedankt, bekreuzigt und mit der Stirn den Boden berührt, wie ich es so oft bei meinem Buddy gesehen und bisher nicht nachgemacht hatte. Weiter geweint vor Glück und weiter bekreuzigt. Zurück ins Zimmer und weiter flossen die Tränen. Glück, Dankbarkeit, Verbundenheit. Irgendwann hat es dann aufgehört und ich konnte in mein Inneres lauschen. Ich habe heute etwas wieder geschenkt bekommen, was mir unendlich lange abhandengekommen war. Verbundenheit. Verbundenheit mit einer Gemeinschaft von Menschen, mit einem Ort, mit mir selbst und mit etwas Übergeordnetem. Jeder kann es nennen wie er will, für mich heißt es Gott.
Ich weiß, dass meine Worte und das Bloßlegen meines Innersten vielleicht als peinlich oder belustigend empfunden werden. Aber ich will sie aussprechen. Und ich sage Euch, ein Leben ohne Verbundenheit mit Menschen und Gott ist ein einsames Leben. Ich weiß wovon ich rede, ich war lange allein.
Ich wünsche jedem von Euch von ganzem Herzen einen Moment, wie ich ihn heute Abend erleben durfte.
Am Ende des Mittelläufers zwischen den Heiligenbildern stand der Mönch.
Dort hatte ich meine Begegnung mit Gott.
Lieber Götz,
Belustigung oder ähnliches ist bei deinen Worten am weitesten entfernt. Berührung und Wärme nehme ich eher wahr. Ich habe schon heftige Kämpfe mit Gott geführt und sie waren immer sinnstiftend. Ich bin inzwischen sicher das er genau weiß wann er uns berühren sollte und wann er nur ein stiller Begleiter ist. Er lässt uns den Raum den wir benötigen.
Ich sitze am Fenster meines Hotelzimmers im 6. Stock und schaue über das beleuchtete Bukarest, während ich Deine Zeilen lese. Weise Worte und ich fühle, so ist es.