Tag 2
Zeit ist kostbar. Einfach nur da sein und einem Gedanken nachhängen, egal, wie lange es dauert, ist ein besonderes Vergnügen. Bin durch rumänischen Novembernieselregen bei 3° Grad plus gelaufen. Das steht dem Herbst in Schleswig-Holstein in nichts nach. 1981 während meiner Grundausbildung fand ich es ekelig, heute habe ich genossen. Werde ich wunderlich mit dem Alter?
An der großen Kirche des Klosters wird noch gearbeitet, doch heute Abend hat eine besondere Messe stattgefunden. Jeder konnte seine Wünsche und Bitten auf kleine Zettel schreiben und vorne abgeben. Wo und wie habe ich nicht gesehen, denn die Kirche war proppenvoll und alle standen vor mir, denn es gibt nur eine Reihe von Stühlen am Rand für die, die gar nicht stehen können. Zusammen mit den Zetteln wurden Spenden abgegeben für die Armen und Bedürftigen. Selbstgebackenes Brot, irgendetwas in Plastiktüten und Geld. Alle stehen dicht an dicht, Frauen links, Männer rechts und wenn der Priester aus dem großen Buch vorliest, scharen sich alle noch dichter um den Priester. Die Gemeinschaft und der Glaube sind mit Händen greifbar und irgendwie sind alle zuhause in der Kirche. Die Messen dauern hier scheinbar nie unter 2 Stunden und man kommt und geht, wie es gerade passt. Kein starrer Beginn mit festem Ende wie bei uns. Nach einer guten Weile habe ich mich draußen auf eine Bank gesetzt. Mir war warm uns Herz (und an den Füßen) und ich habe den Menschen beim Betreten und Verlassen der Kirche zugesehen. Keiner fremdelt, die Kirche gehört zum Leben. Beim Sitzen und Schauen beschlichen mich grundsätzliche Gedanken.